Warum ich im Chor singe? Es ist das besondere Erlebnis gemeinsam zu singen. Es ist das Gefühl von Zusammengehörigkeit, die musikalische Interaktion, der Chorklang. Aber es sind auch die Konzerte, das gesellige Zusammensein, die Gespräche in den Pausen und die geteilten Pizzen nach der Probe. In diesem Jahr mussten wir Corona-bedingt auf vieles davon verzichten. Im März kam der erste Lockdown. Plötzlich wurde Chorsingen zum „gefährlichsten Hobby der Welt“ (Video vom Chor: The Happy Disharmonists)
Zum Glück reagierte unsere Chorleiterin Antje Laabs schnell. Kurzerhand wurden wir vom Schöneberger Freizeitchor zu einem ortsunabhängigen Wohnungs-Chor. Mit Hilfe von Zoom verlagerten wir unsere Proben in den digitalen Raum. Wir probten weiterhin zusammen. Doch galt über viele Wochen hinweg: Jeder singt für sich allein.
Wochenend und Sonnenschein – brauchst du mehr zum Glücklichsein?
Sogar ein neues Lied übte unser Amateurchor ein. Die Repertoire-Gruppe hatte sich zusammen mit Antje für das Lied „Wochenend und Sonnenschein“, einen 20er-Jahre Schlager der Comedian Harmonists, entschieden. Bei der Auswahl des neuen Stücks spielte Covid19 noch keine Rolle. Doch plötzliche erschien der Liedtext in einem ganz anderen Licht:
Kein Auto, keine Chausee
Und niemand in unsrer Näh‘
Tief im Wald nur ich und du
Der Herrgott drückt ein Auge zu
Denn er schenkt uns ja zum Glücklichsein
Wochenend und Sonnenschein.
Nur du und ich – Kontaktsperre – ganz allein – sozial distanziert – und dann mit dir im Wald allein…
Im Laufe der Zeit merkten wir alle, dass wir mehr brauchten zum Glücklichsein als Zweisamkeit, Wochenenden und Sonnenschein.
Statt mit auf dem Bildschirm stummgeschalteten Kacheln zu singen, wollten wir uns endlich wieder live sehen und hören. Im Sommer wurden die strengen Auflagen für Hobbychöre endlich gelockert, auch wenn die Gefahr durch ansteckende Aerosole weiter bestand. Darum suchten wir uns Outdoor-Probeplätzen. Wir fanden diese unter einer Brücke (schwieriger Klang), in einer Durchfahrt am Tempelhofer Flughafen (zugig) und schließlich auf der Treppe hinter dem Tempodrom.
Mit Abstand und ausgefeiltem Hygiene-Konzept überbrückten wir den Spätsommer. Aber von Woche zu Woche wurde es früher dunkel und kälter. Das kurze Glück der Präsenzproben schien ein jähes Ende zu nehmen, doch dann drückte der Herrgott ein Auge zu und schenke uns einen geräumigen, gut zu lüftenden Probeort zum Glücklichsein. Eine Kirche in Mariendorf-Ost. Halleluja!
Bis zum zweiten Lockdown trafen wir uns hier zu Präsenz- und Hybrid-Proben. Als sich die Corona-Lage wieder zuspitzte und immer mehr Menschen erkrankten, zogen wir uns erneut in die eigenen vier Wände zurück. Auch unsere diesjährige Weihnachtsfeier fand nur virtuell ohne Plätzchenduft, Glühwein und herzliche Umarmungen statt. Feierlich war sie trotzdem und Weihnachtslieder haben wir auch gesungen.
Bis auf weiteres proben wir jetzt wieder per Zoom, behalten auf diesem Weg Kontakt miteinander, irritieren einmal pro Woche unsere Familien und Nachbarn mit schrägem Solo-Gesang und hoffen auf bessere Zeiten.
Übrigens: Es ist erstaunlich, aber wahr. Auch in diesem Jahr haben wir einige neue Chormitglieder aufgenommen. Wer also über WLAN, einen Computer oder ein Smartphone verfügt und Lust hat mit uns virtuell zu singen (und irgendwann auch wieder als reale Chorgemeinschaft), kann sich gerne melden.
12/2020 Text: Anna